Einleitung
Eine Familienverfassung zu haben ist gut, aber keine Garantie dafür, dass der Zusammenhalt in komplexer werdenden Unternehmerfamilien wächst. Der Fokus sollte in der Praxis daher auf gemeinsamen und regelmäßigen Aktivitäten liegen. Der Wert der Familienverfassung liegt faktisch in der gemeinsamen Erarbeitung und kontinuierlichen Prüfung und Aktualisierung. Der dazu passende Rahmen ist tatsächlich der Familienrat und die regelmäßigen Familientreffen. Hier gilt es konkret anzusetzen, um mehr spürbar mehr Wirkung und Effizienz zu erzielen.
Ausgangssituation und gängige Herausforderungen in der Unternehmerfamilie
Viele Unternehmerfamilien suchen neue Strategien zur Bewältigung ihrer Herausforderungen im Familienrat. Typische Fragen und tatsächliche Herausforderungen, denen wir in der Beratung immer wieder begegnen sind:
Auftragsklarheit:
„Unsere Familie hat unseren Familienrat damit beauftragt, wichtige Aufgaben in unserem Namen zu erledigen. Was können wir tun, um einen Mehrwert zu schaffen, Ergebnisse zu liefern und einen spürbaren Einfluss auf den Gesamterfolg unseres Familienunternehmens zu haben?“
Geografische Ausbreitung:
„Unsere Familie wächst und breitet sich geografisch aus. Wie können wir unsere Familie verbunden halten?“
Unternehmerisches Engagement:
„Wie können wir dafür sorgen, dass unsere Familie unternehmerisch engagiert bleibt und positiv auf die Entwicklung unseres Unternehmens beiträgt?“
Veränderungsmanagement:
„Wie kann unser Familienrat die Familie bei substanziellen Veränderungen in Familie, Branche, Führung und Vermögenswerten am besten begleiten?“
Talent-Pipeline:
„Was sollten wir tun, um unsere Familienmitglieder mit relevanten Kenntnissen und Fähigkeiten auszustatten, um eine Talent-Pipeline für zukünftige Anforderungen an Unternehmensführung, Aufsicht und Eigentümerschaft aufzubauen?“
Richtlinien und Regeln:
„Welche Richtlinien und Regeln sollten wir entwickeln und wie setzen wir sie durch? Wie sind andere Familien damit umgegangen?“
Das Fundament: Die Familienverfassung
Familientreffen ohne eine zugrundeliegende Familienverfassung bleiben oft ergebnislos und führen zu Frustration. Die gemeinsame Erarbeitung einer Familienverfassung fördert den Zusammenhalt, indem Familienmitglieder sich auf Grundsätze und Regeln einigen. Dies verhindert existenzgefährdende Konflikte und schafft eine gemeinsame Kultur.
Obwohl alle Schnittstellen zwischen Familie und Unternehmen beleuchtet werden müssen, ist es nicht Ziel der Familienverfassung, Familienmitglieder für das operative Tagesgeschäft zu befähigen.
Im Fokus stehen der Umgang innerhalb der Gesellschafterfamilie und unter Mitgliedern der erweiterten Unternehmerfamilie.
Die in der Familienverfassung erarbeiteten Ziele sind Absichts- und Willensbekundungen ohne rechtliche Bindungswirkung. Die Umsetzung mündet in der Erstellung bzw. Überarbeitung von Einzelverträgen wie Gesellschaftsvertrag, Ehevertrag oder Testament. Sanktionsmechanismen bei Verstößen sind indirekte Konsequenzen und keine unmittelbaren Sanktionen.
Die Umsetzung: Familienrat und Familientage
Mindestens so wichtig wie die Übersetzung der Ziele aus der Familienverfassung in Verträge sind regelmäßige Treffen des Familienrates und gut vorbereitete Familientage. Regelmäßige Familientreffen sind entscheidend für das reibungslose Funktionieren des Unternehmens und der Familie. Auch wenn sich die ersten Treffen unangenehm anfühlen, wird der Prozess mit der Zeit tiefgreifender und zunehmend wertvoller. Familienmitglieder entwickeln neue Fähigkeiten für eine bessere Zusammenarbeit, wie z.B. bessere Kommunikationstechniken, gesunde Konfliktlösung und ein stärkeres Engagement.
Wir empfehlen Familien, Feedbackrunden einzurichten. Nach jedem Familientreffen kann eine anonyme Umfrage verschickt werden, um Rückmeldungen zu sammeln. Kommentare wie „...mehr Zeit für informellen Austausch...“ oder „...die Finanzdiskussion war zu hoch...“ sind wertvoll für die Planung des nächsten Treffens. Kontinuierliches Feedback trägt dazu bei, Familiendynamiken in eine konstruktive Richtung zu lenken.
Nach 2-3 Jahren wird das Familientreffen zu einem wertvollen Ritual, auf das niemand mehr verzichten möchte.
Ein klarer Rahmen für Meetings ist in der Praxis ausschlaggebend. Folgende Punkte bilden aus der Erfahrung heraus eine gute Grundlage:
Verantwortlicher Gastgeber/Organisator für jedes Treffen
Pünktlichkeit und gute Vorbereitung
Keine Unterbrechungen
Meinungsverschiedenheiten als Chance betrachten
Probleme mit den beteiligten Personen besprechen, bevor andere einbezogen werden
Verjährungsfristen für angesprochene Probleme praktizieren
Kommunikationsfelder wirkungsvoller Zusammenarbeit in Familienrat und Familienmeetings
Weder Familie noch Unternehmen sind statisch. Entsprechend entwickelt sich der Dialog über Werte, Eigentum und Übertragung von Verantwortung stets weiter.
Folgende fünf Kommunikationsfelder sollten immer auf dem Radar des verantwortlichen Gastgebers und Organisators bei der Gestaltung der Meeting-Agenda sein:
1. Nähe vs. Distanz
Enge Familienbeziehungen führen zu offenen Gesprächen, Respekt und einem Gefühl der Gerechtigkeit. Distanzierte Beziehungen hingegen gehen oft mit einem Mangel an Kommunikation einher. Entscheidungen über Rechte, Pflichten oder Vermögen sollten immer hinterfragt werden: „Schaffen wir dadurch Nähe oder Distanz?“
2. Mitsprache vs. Mitbestimmung
Familienmitgliedern eine Stimme in Diskussionen zu geben bedeutet nicht, dass sie auch mitbestimmen. Eltern haben oft Angst, Kontrolle abzugeben, aber es ist wichtig, Mitsprache und Mitbestimmung zu differenzieren und traditionelle Hierarchien zu verlassen.
3. Fairness vs. Gleichstellung
Regeln oder Entscheidungen zu Werten und Vermögensnachfolge sollten nicht automatisch für alle gleich gelten. Offener Dialog über Fairness ist entscheidend, da Gerechtigkeit eine Frage der persönlichen Interpretation ist.
4. Transparenz vs. Offenheit
Schaffen Sie ein angemessenes Maß an Transparenz, das zur jeweiligen Lebensphase der nächsten Generation passt. Offenlegungen zu Vermögens- und Nachlassplänen sollten schrittweise und kontinuierlich erfolgen.
5. Wünsche vs. Befürchtungen
Wünsche und Ängste stehen oft in einem Spannungsfeld. Offene Gespräche über diese Themen sind wichtig, um die wahre Motivation hinter Entscheidungen aufzudecken und Vertrauen zu fördern.
Schlussfolgerung
Eine Familienverfassung ist nur der Anfang. Regelmäßige Familientreffen, klare Kommunikationsfelder und kontinuierliches Feedback sind entscheidend für den langfristigen Erfolg und Zusammenhalt der Familie. Durch die richtige Balance zwischen Weisheit und Handlungsfreiheit kann das unternehmerische Feuer der nächsten Generation entfacht und das Familienunternehmen nachhaltig gesichert werden.
Denken Sie daran: Nichts am Unternehmertum ist einfach. Es gibt keine vorgeschriebene Methode, um etwas Revolutionäres zu entwickeln.
Diese Grundsätze können Ihnen helfen, den unternehmerischen Elan der nächsten Generation zu fördern und das langfristige Wachstum Ihres Familienunternehmens zu sichern.
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