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Wenn “der Alte” zum Führen zu schwach wird, aber nicht zurücktreten will

Wenn eine alternde Führungskraft zu lange im Amt bleibt, kann das Unternehmen Schaden nehmen. Doch der Rückzug ist oft schwierig – emotional wie strategisch. Frühzeitige Governance, neutrale Vermittler und eine klare Rollenverteilung helfen, einen sanften Übergang zu gestalten. Familienunternehmen müssen jetzt Strukturen schaffen, bevor sie durch eine Krise dazu gezwungen werden.

Ein stilles Risiko mit enormer Sprengkraft

Es gibt eine ungeschriebene Regel in Familienunternehmen: Loyalität und Respekt vor der Erfahrung der älteren Generation. Doch was passiert, wenn eine alternde Führungskraft – oft der Gründer oder eine prägende Unternehmerpersönlichkeit – nicht mehr in der Lage ist, das Unternehmen souverän zu steuern?


Ein geschwächter Unternehmer trifft Fehlentscheidungen, blockiert Innovationen oder gefährdet durch inadäquates Verhalten das Vertrauen von Mitarbeitern und Geschäftspartnern. Der Übergang von einem starken zu einem beeinträchtigten Leader ist oft schleichend – und genau das macht ihn so gefährlich.

Die Familie und das Unternehmen stehen dann vor einer doppelten Herausforderung: Wie kann der Schaden begrenzt werden, ohne das familiäre Fundament zu zerstören?

Der fatale Kontrollverlust eines Paten

Andrew Russo, das Oberhaupt der Colombo-Mafia-Familie, regierte sein „Unternehmen“ jahrzehntelang mit Disziplin und Kontrolle. Doch mit 87 Jahren verlor er den Überblick, wurde unvorsichtig – und wurde schließlich verhaftet. Während Russo kein klassischer Familienunternehmer war, ist das Muster allzu bekannt: Eine einst starke Führungskraft hält am Status quo fest und ignoriert die Zeichen der Zeit. Bis es zu spät ist.


In Familienunternehmen gibt es meistens keine übergeordnete Instanz wie einen “Aktionärsrat”, der in einem börsennotierten Unternehmen einen CEO entlassen könnte. Doch was tun, wenn der Eigentümer selbst zum Risiko wird?


Wie erkennt man die Grenze zwischen „alt, aber fähig“ und „beeinträchtigt“?

Nicht jeder ältere Unternehmer muss abdanken.


Erfahrung und Weitsicht sind oft unschätzbare Ressourcen. Doch es gibt Warnsignale:

  • Kognitive oder physische Einschränkungen: Gedächtnisverlust, Verwirrung oder mangelnde Konzentration.


  • Unangemessene Entscheidungen: Fehlende Risikobewertung, Fehlinvestitionen oder Vertragsverletzungen.


  • Verlorene Autorität: Mitarbeiter und Geschäftspartner nehmen die Führungskraft nicht mehr ernst oder umgehen sie.


  • Blockadehaltung: Verweigerung von Innovationen oder Nachfolgediskussionen.


  • Konflikte in der Familie: Eskalierende Auseinandersetzungen mit der Next Gen oder anderen Gesellschaftern.


Wenn eines oder mehrere dieser Symptome auftreten, ist schnelles und strategisches Handeln gefragt.


Strategien für einen sanften, aber effektiven Übergang

Es gibt keinen „perfekten Moment“ für einen Rücktritt, aber es gibt Wege, einen geordneten Übergang zu gestalten.


1. Eine neutrale Instanz als Vermittler einbinden

Wenn ein geschwächter Unternehmer sich gegen eine Veränderung wehrt, sind direkte Familiengespräche oft nicht zielführend. Ein unabhängiger Dritter – sei es ein erfahrener Familienberater, ein Beiratsmitglied oder ein langjähriger Vertrauter – kann helfen, Brücken zu bauen und eine lösungsorientierte Diskussion zu ermöglichen.


2. Parallelstrukturen aufbauen

Falls ein direkter Machtwechsel nicht durchsetzbar ist, kann ein „Schattenmanagement“ geschaffen werden. In der Praxis bedeutet das:

  • Enge Begleitung von Entscheidungen durch ein informelles Führungsteam.

  • Erbenräte oder Next-Gen-Gremien, die strategische Weichenstellungen vorbereiten.

  • Selektive Delegation von Verantwortlichkeiten, um kritische Unternehmensprozesse abzusichern.


3. Eine neue Rolle für den scheidenden Unternehmer schaffen

Oft klammern sich ältere Unternehmer nicht an die operative Kontrolle, sondern an ihre Identität als „Leader“. Ein bewährter Ansatz ist es, eine Senior Advisory Role zu definieren, die ihnen Anerkennung sichert, ohne dass sie weiterhin kritische Geschäftsentscheidungen treffen.


4. Governance weiterentwickeln, bevor es brennt

Prävention ist der beste Schutz. Klare Regeln zu Amtszeiten, Leistungsüberprüfungen und Governance-Mechanismen schaffen ein strukturiertes Rahmenwerk, das kritische Situationen verhindert.


Unternehmen wie IKEA haben eine sanfte Transition erfolgreich gemeistert. Ingvar Kamprad, der Gründer, blieb bis ins hohe Alter involviert, übergab aber schrittweise Macht an die nächste Generation – ohne sein Gesicht zu verlieren.

Der kluge Rückzug ist eine Führungsleistung

Das Festhalten an der Macht kann ein Unternehmen und die Familie irreparabel schädigen. Doch mit einem strategischen, empathischen Ansatz kann ein würdevoller Übergang gelingen – zum Wohl aller Beteiligten.

Familienunternehmen müssen sich fragen: Haben wir die richtigen Strukturen, um mit dieser Herausforderung umzugehen? Oder warten wir, bis die Krise uns zum Handeln zwingt?

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c/o Hochschule München  |  Bayrische Spitzenprofessur für Transformation & Innovation in Familienunternehmen

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